Adventsbock

Besinnliche Geschichten aus dem Block

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Biel, Biel, Tschernobiel

Wir schreiben Frühling 2008. Die Schweiz im Fussballfieber, schliesslich findet bald die Euro 2008 in Kooperation mit dem Nachbarn Österreich statt. Aber an diesem freundlichen Samstag hatte ich nichts Besseres zu tun, als am Vormittag im FCL Forum rumzuhängen. Die Liiribox war damals gar am Samstag gut besucht. Leider erhielt ich die schockierende Nachricht, dass sich Claudio Stierli, der jüngste Sohn vom damaligen Präsidenten Walter Stierli, das Leben genommen habe. Da ich mit Claudio 2002 in den USA ein paar Wochen per Zufall dieselbe Schule besucht hatte und er ein guter Kumpel wurde, der mal lieber mit mir bei Bier Bowling spielte, anstatt an der Sonne zu braten, war er mir sehr sympathisch. Der Schock sass tief, sein Suizid, nicht erklärbar für mich.

Ich war daher sehr froh, liess ich mich einen Tag vorher von Kutte überreden, das LU21 Spiel in Biel zu besuchen. Schliesslich sei das altehrwürdige Stadion Gurzelen mit Holztribünen bestückt und gemäss Kutte sollten wir nicht die einzigen FCL Jungs in Biel sein. Ich erwartete nicht viel, aber ich freute mich auf die Zugfahrt, denn mit Kutte kann man prima rumparlieren. Diskussionen über Busverbindungen zwischen den Metropolen Adligenswil und Meierskappel können da schon mal eine ganze Zugfahrt füllen.

Gurzelen-Party

In Biel angekommen, schnappten wir uns ein Taxi und fuhren zum Stadion. Schon von weitem war zu erspähen, dass da nicht nur zwei drei Luzerner den Weg nach Biel gefunden hatten, sondern da waren bestimmt 70 gutgelaunte Supporter, aus jeder Gruppierung waren Leute anzutreffen. Wir bekamen Besuch von Laimer Löwe aus dem Blauen München, danach wurde angepfiffen. Ich war überrascht dass es eigene LU21 Songs gab, klang frischer als beim Fanionteam. Es wurde ordentlich gezündet. Zu unserem Glück schafften die LU21 Jungs ein tolles Unentschieden. LU21, da wurden gar Kleber erstellt, leider wegen Farbenblindheit ein Weiss – Blaues Wappen, aber Chuck Norris rettete das Unglück des jungen, vielleicht etwas übermotivierten, baldigen Formationsmitglied.

Aber schnell zum sportlichen Teil: Bei der LU21, die vom Abstieg bedroht war, spielten im Sturm Janko Pacar und ein gewisser Dejan Sorgic. Bei den Bieler sah ein Dennis Hediger schon in der ersten Halbzeit die rote Karte. Die LU21 Boys glichen in der 85. Minute aus, Luca Liloia. Luca wer? Im kultigen Stadion waren 466 gezählte Zuschauer, ob alle bezahlt hatten, war die andere Frage. Und diese Frage zwang quasi die gelangweilten Polizisten in Vollmontur vor die Toren des Stadion zu stehen. Als die entdeckten, dass der Grossteil der FCL Supporter den Hinterausgang nehmen wollte, stürmten sie los und hatten offensichtlich Freude, eine Euro-08 Übung zu simulieren.

Schmier(en)theater

Kutte, Laimer und noch ein paar mehr, liefen gemächlich Richtung offiziellen Ausgang. Kein Bulle, der uns aufhalten wollte, lieber spielten sie Katz und Maus mit dem Rest der Jungs. Sorry, es hatte auch FCL Damen am Start, denen verdanken wir die netten Bilder. Auf der wilden Verfolgungsjagd durch die Bieler Strassen gelang es ein paar erfahrenen FCL Haudegen, sich in Vorgärten und Keller zu retten, 33 wurden eingekesselt und eingepackt.

Die 33 Festgenommenen wurden nicht nur verzeigt, sondern auch mit einem Stadionverbot belegt. 33 Stadionverbote. Eine nie dagewesene SV-Welle. Ein harter Schlag für die Fanszene – und die Betroffenen, welche sich in quasi allen Fällen nichts anderes haben zu Schulden kommen lassen, als dass sie auf dem Rückweg zum Bahnhof den Bullen abhauen wollten.

Fortan hüllte sich die FCL-Fankurve in schwarz. Die Zahl 33 wurde das Symbol für unseren Freiheitskampf. Ein paar Monate später endete das Schmierentheater zumindest doch noch mit einem Happy End, wir feierten den Erfolg dank guten Anwälten mit dem schönen The Clash Song: I fought the law. Es war eine richtige Bewährungsprobe für die noch junge organisierte FCL Fanszene.

Metzgerhalle statt Knast

Wir bekamen von den dramatischen Szenen allerdings nichts mit, schliesslich spatzierten wir nicht Richtung Bahnhof sondern zum Parkplatz und kassierten dabei von Trainer Walter Iselin Handshakes und Dankeswünsche wegen dem tollen Support. Wir fuhren per Auto nach Luzern und genossen in einer komischen Runde in der Metzgerhalle den Punktgewinn. Dabei waren Hüetlis, SE‘97, Münchner Löwen und GC Jungs, die waren schon da, weil am Tag danach ja der grosse FCL gegen GC auf der Allmend spielte. Die GC Jungs kannten wir, mit denen waren wir auch schon in London und an Oasis Konzerten, also Fairplay für all die Stänkerer auf den billigen Plätzen. Nun, wir schrammten knapp an einem Hausverbot in der Metzgi vorbei. Fehlte gerade noch, soffen wir doch ordentlich Appenzeller und sangen zu den Slayer Songs mit.

Roadhouse-Apéro

Am Sonntag traf man sich wieder im Roadhouse. Diese legendären Roadhouse Einstimmungsaperos erinnerten immer an Football Factory. Die GC Jungs inkognito, ziemlich beeindruckt wie die LU City die Innenstadt im Griff hatte, die Münchner Löwen mit FCL Schals und unser Apero wurde durch die Info, dass 33 Leute gestern in Biel festgenommen wurden übelst beeinträchtigt. Ich glaube es war Master, der uns SE 97 Leuten die Nachricht überbrachte.

Beim Spiel gab es die unendliche Schweigeminute für Claudio Stierli, ich hätte dann wirklich genug gehabt, wollte nach Hause, aber die Szene war da, auch für die Jungs die fehlten.

Die unglaubliche, unschlagbare USL-Solidarität war geboren.

Verfasst von Maré
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