Adventsbock

Besinnliche Geschichten aus dem Block

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Silberstreif, Lebenselixier und Gefühlstsunami – Ein Liebesbekenntnis

Hola mi amor!

Ich vermisse Dich! Ja, ganz ehrlich, von allen Dingen die im Jahr 2020 knapp sind, fehlst Du mir fast am meisten! Du bist einer der Hauptgründe, wieso sich bei mir schon in jungen Jahren diese Faszination für den Fussball und vor allem auch das ganze Rundherum entwickelt hat. Du schaffst es, mein Blut in Wallungen zu bringen, Adrenalinausstösse von epischem Ausmass zu verursachen, Tage und Spiele zu retten, die ansonsten auch mal recht öde sein können. Manch ein Schienbein, Bier oder Klappsitz hat dich schon verteufelt – genauer gesagt die Folgen, die Du hervorrufst. Du bist Silberstreif am Horizont in schlechten Zeiten, Lebenselixier für Fussballfans und Gefühlstsunami in Vollendung, wenn Du erst einmal eintrittst. Du bist einfach etwas vom Geilsten der Welt, mein liebster Goaljubel!

Dein Don Pedro

***

Denke ich zurück an meine Zeit auf den Tribünen, sind besondere Torjubel immer etwas vom Ersten, woran ich mich erinnere. Seien es Last-Minute-Treffer, total sinnlose «Fake-Torjubel» im alten Hardturm, besonders wichtige Tore an besonderen Spielen wie Cupfinals oder an Europa-League-Abenden, kuriose oder schlicht schön herausgespielte Tore, ein Jubel über eine so simple Sache wie ein Tor im Fussballspiel kann prägend sein. Nicht selten diskutieren wir unter Freunden in biergeschwängerter Atmosphäre darüber, welche Torjubel denn zu den absolut besten in unseren „Fan-Karrieren» gehören und schwelgen dann mit einem Schmunzeln in vergangenen Zeiten, in denen mal wieder extrem viel Endorphin ausgeschüttet wurde. Es werden Diskussionen geführt darüber, dass sich auch linguistische Eigenheiten in der Art zu jubeln niederschlagen. So jubeln Engländer in der Regel wild gestikulierend mit einem langgezogenen «yeah», Portugiesen und Spanier eher etwas in Richtung «Gooooooal» und somit dumpfer, während Schweizer und Deutsche ihre Freude in der Regel mit einem langen «jaaaa» kundtun. Alleine der Klang der verschiedenen Vokale verleiht dem Jubel quasi verschiedene Dialekte und damit Lokalkolorit. Etwas, das ich auf Groundhopping-Reisen immer wieder speziell auskoste. Fussball – eine weltumspannende und doch sehr lokal geprägte Kultur und Faszination mit einem Maximum an Emotionen. Was einen Torjubel aber überall auf der Welt eint, ist der Fakt, dass in diesem Moment scheissegal ist, wer das Gegenüber ist und mit wem man die Freude teilt. Feinde werden zu Freunden, Fremde werden zu Bekannten und sämtliche Sorgen werden für eine kurze Zeit lang abgeschüttelt.

Bei der Faszination geht es mir aber nicht nur um den Jubel, das Hochspringen, laut loszuschreien oder teils wildfremde Menschen zu umarmen. All das nimmt seinen Lauf nämlich auf dem Spielfeld. Ein Tor und der dazugehörige Jubel ist schliesslich immer ein Produkt eines mehr oder weniger gelungenen Spielzugs. Wenn sich so ein Ereignis anbahnt und der Ball langsam seinen Weg Richtung Tor findet, versetzen wir unseren Körper bereits in Alarmbereitschaft. Je öfter dies pro Spiel passiert und die Belohnung noch ausbleibt, desto elektrisierter werde ich in der Regel. Denn jeder Fehlalarm bzw. jede verpasste Chance oder auch Chance des Gegners hinterlässt seine Spuren. Wenn’s dann endlich so weit ist und unsere Herren das Runde ins Eckige befördern, folgt der wohl speziellste Moment im ganzen Spannungsaufbau: Das Stadion verstummt. Es verstummt zwar nur für etwa eine halbe Sekunde – so lange wie unsere menschliche Reaktionszeit eben dauert – aber diese halbe Sekunde ist so majestätisch und energiegeladen, dass ich wohl schon ganz neue Welten darin entdeckt habe. Es ist der Moment, in dem der Körper in wahnsinniger Geschwindigkeit die Hormonfabrik zur Explosion bringt, die Ungewissheit der Gewissheit weicht und unser Gehör sich auf ein ganz spezielles Geräusch einstellt. Das Geräusch, wenn der Ball im Netz landet und dabei mit einem poetischen «wusch» an den Maschen des Tornetzes entlang rutscht. Ein Geräusch geschaffen von Göttern höchstpersönlich und Startschuss zu einem Chaos, das je nach Spielstand, Zeitpunkt im Spiel, Alkoholgehalt, allgemeiner Stimmung im Block und auch Örtlichkeit ganz unterschiedlich seinen Lauf nimmt.

So kam es schon vor, dass einer meiner Freunde voller Überschwänglichkeit einen Klappsitz im mighty Schletzigrund verprügelte, ich mehrere Reihen weiter unten im Block unter (ja, unter!) einem Haufen feiernder Menschen und mit aufgeschlagenem Schienbein landete, mal von oben bis unten mit Eichhof-Pfütze geduscht wurde, oder einfach dem Nebenan aus Versehen die Visage mit dem Ellbogen malträtierte. 2012 im Wankdorf fiel ich anlässlich des Ausgleichstors von Tomi Puljic zum 1:1 im Cupfinal fast vom Oberrang und konnte meinen Schwerpunkt doch noch zurück auf die richtige Seite verlagern, während sich meine Stimme nach dem 3:3-Ausgleich durch Cantaluppi gegen GC nach rund 20 Sekunden Brachialschrei bis am nächsten Tag verabschiedete. Dauergrinsen noch spätabends inklusive …

Schöne Erinnerungen – und auch ein gewisser Halt in ungewissen Zeiten, denn irgendwann wird’s wieder so weit sein. Irgendwann werden wir wieder ekstatisch jubeln und unsere besten Freunde verprügeln, in der Hitze des Gefechts die Wanker-Geste zu den Gegnern machen, rummaxen, Bier verschütten und vielleicht auch mal ein kleines bisschen darob weinen. «Tränen des Glücks», wie dies die FCL-Marketingabteilung wohl ponyreitend beschreiben würde.

In diesem Sinne wünsche ich allen FCL-Fans euphorische (blau-)weisse Weihnachten und möge sich das Warten nicht mehr allzu lange hinziehen.

Hasta pronto en el estadio amigos y amigas!

PS: Ach ja: Der geilste Torjubel ever? Schwierig zu sagen, Cantaluppis 3:3 ist schon sehr hoch einzustufen, Puljics Ausgleich umso mehr. Schneuwlys Last-Second Ausgleich zum 2:2 gegen Sion am letzten Spieltag der Saison 2015/16 gehört dazu, oder der 3:2-Siegtreffer von Schulz in St. Gallen anno 2018. Auch Dimitars Freistosstor kurz vor Schluss im Cup-Achtelfinale 2013 gegen Sion gehört in die Hall of Fame, wie das 2:0 zuhause im Rückspiel gegen Osijek. Aber die Nummer eins? Ich glaube, da kann es nur einen geben. Simi du geile Sau!

Wie sieht’s bei Dir aus? Welches ist dein Favoritenjubel aller Zeiten?

PPS: Auch Kommentatoren können natürlich richtig geil durchdrehen. Gerne erinnere ich an den Kommentar zum «Tor des Jahrhunderts» vom «Pibe del oro» Maradona.

«Lo marcan dos, pisa la pelota Maradona, arranca por la derecha el genio del futbol mundial, y deja el tercero, y va a tocar para Burruchaga … Siempre Maradona! Genio! Genio! Genio! Ta-ta-ta-ta-ta-ta … y Gooooooooooool! Gooooooooool! Quiero llorar, Dios santo! Viva el futbol! Golaaaazoooo! Diegooooool! Maradona! Es para llorar, perdonenme … Maradona, en una corrida memorable, en la jugada de todos los tiempos, barrilete cosmico … De que planeta viniste?? Para dejar en el camino a tanto inglés. Para que el pais sea un puño apretado, gritando por Argentina… Arrrrgentina 2 – Inglaterra 0. Diego! Diego! Diego Armando Maradona! Gracias Dios, por el futbol, por Maradona, por estas lagrimas, por este… Argentina 2 – Inglaterra 0.»

Videoschnitt: Tuce

Verfasst von Don Pedro
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