Adventsbock

Besinnliche Geschichten aus dem Block

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Ein Brief für Murmi

Eine meiner frühesten Erinnerungen ist, wie mein Papi und ich zusammen auf der Lumag-Tribüne sitzen und die Blauweissen auf dem Feld anfeuern. Ich bin vielleicht drei oder vier Jahre alt. Es gibt ein Tor, die Leute um mich herum springen von ihren Sitzen auf. Mein Papi wirbelt mich durch die Luft, bevor er nach seiner Fahne greift und wir im Jubel um uns herum versinken.

Auch wenn ich nun, gut 20 Jahre später weiss, dass ich diese Geschichte wohl mit meiner Fantasie etwas zurechtgebogen habe, so bleibt doch eines: unsere grosse Leidenschaft und Liebe für diesen Sport, diese Stadt und diesen Verein. Die Abenteuer, von denen wir damals Ende 90er-Jahre geträumt haben, sind wahr geworden. Als Familie haben wir Stadien überall in der Schweiz gesehen, sind mit Velo, Auto, Bus, Zug und Flugzeug durch die Schweiz und Europa gereist. «S erste Gspröch bi üs am Tesch, wenn d Familie zäme esch» singen wir in der Kurve und tatsächlich – der Fussball ist bei uns Teil jedes Mittagessens, jedes Familienfests, jedes noch so kurzen Telefongesprächs.

Wir, das sind meine Mutter, mein Vater und meine zwei Schwestern. Wir sind alle mehr oder weniger fussballverrückt. So erstaunt es kaum, dass wir statt dem Sonntagsspaziergang lieber in der Kurve stehen und unsere Farben zum Sieg schreien. Während andere Eltern darum fürchten, dass ihre Kinder zu nah an die mindestens 1000-grädige Pyrotechnik kommen könnten, war ich im Alter von knapp 9 Monaten an meinem ersten Fussballspiel, auswärts in Lugano

Es sollte das erste von hunderten Spielen werden. Dabei ist auch die Kurve irgendwie zu meiner Familie geworden. Die Menschen, die mir früher geholfen haben, auf den Zaun zu klettern, stehen auch heute noch mit mir im Block. Es tat und tut gut zu wissen, dass sie alle da sind und wir dieselben Träume haben. Zu wissen, dass wir für einander da sind, dass alle für einander einstehen.

Das ist eben unser Ding, auch wenn andere es nicht verstehen. Auch das habe ich von meinem Vater gelernt. Zieh dein Ding durch, egal was andere sagen oder denken. Wenn du eine Fahne haben willst, dann machen wir eine. Wenn du Bock hast nach Athen zu fliegen, dann buch das Ticket. Wenn das Europacupheimspiel während der Strandferien stattfindet, fahren wir halt früher wieder nach Hause.

Zusammen haben wir so viel erlebt. Zu meinen Lieblingsgeschichten gehören das letzte Spiel in unserer geliebten Allmend («Chlättered eifach bi 2 oder 3 scho öber d Bande, nochhär chömed de alli!») oder das Cupspiel gegen den FC Kölliken, für den ich kurz zuvor selber noch Fussball gespielt hatte.

So viele Geschichten, die wir gemeinsam schon erlebt haben, die wir noch erleben werden. «Vom Vater zur Tochter», sagt mein Vater immer. Dann kriege ich Gänsehaut und das blauweisse Blut in meinen Adern gefriert, weil ich weiss, dass das etwas ganz Besonderes ist. Etwas das für immer bleibt und das uns niemand nehmen kann.

Danke Papi, für so vieles, aber danke vor allem dafür, dass ich keine Zecke geworden bin. 😉

Verfasst von Räubertochter
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