Adventsbock

Besinnliche Geschichten aus dem Block

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Mäntig Morge

Es ist wieder mal „Mäntig Morge“, wir schreiben den 28. November 2011. Zu jener Zeit arbeite ich bei einem grossen Luzerner Unternehmen und wieder mal habe ich mich mit einem schweren Kopf zur Arbeit gequält. Gestern haben wir schliesslich im Schweizer Cup gegen Wohlen gespielt, dieses Spiel mit Ach und Krach gewonnen und uns daher diesen Erfolg mit reichlich Alkohol schöner gesoffen als er wohl eigentlich war. Egal, es war ein geiler Ausflug ins benachbarte Arschgau und die Woche würde wohl schnell vorübergehen. Ich bin froh, als wir endlich ins Znüni gehen dürfen und ich mir meinen wohlverdienten Kaffee genehmigen kann.

Am Znünitisch sind aufgrund verschiedenster Vorfälle einmal mehr Fussballfans das Thema Nummer Eins. Dies beeindruckte mich in der Regel nicht besonders, ich war es ja gewohnt dass wir zu dieser Zeit als die grössten Arschlöcher der Nation gehandelt wurden. An diesem Montag musste ich jedoch mit dem Schlimmsten rechnen, da sich die Luzerner Kurve im Krieg gegen den Sonnenkönig Walter Stierli befand und wir diesen gestern in Wohlen mit einer wohlüberlegten Aktion einmal mehr befeuert hatten. Und tatsächlich liegt da die aufgeschlagene Titelseite des Sportblicks vor einem meiner Arbeitskollegen, welcher sich in aufgebrachter Manier über den Mann beklagt, welcher auf dem hochaufgelösten ganzseitigen Bild eine Fackel zündet. In diesem Moment ist zumindest mein Kater Geschichte, denn der Mann, der alleine auf dem Zaun in Wohlen munter eine Fackel schwingt, der bin ich.


Nun habe ich es also tatsächlich auf die Titelseite dieses Käseblattes geschafft, denke ich mir. Ich muss mir eingestehen, dass mich die Situation im Znüniraum meines Arbeitsplatzes etwas beunruhigt. Würden mich meine Arbeitskollegen erkennen? Die wissen ja, dass ich mich im Umfeld des FCL tummle und an jedes Spiel mitreise. Mein Arbeitskollege schimpft weiter und meint, dass solche Assoziale wohl eh nichts besseres zu tun haben und sowieso arbeitslos seien und und und. Gut, denke ich mir, ich bin zwar schon kein Heiliger aber zur Arbeit bin ich ja gekommen, also werden die mich schon nicht mit diesem Bild in Verbindung setzen. Nach dieser kurzen Aufregung blättert der Andere in seiner Zeitung weiter und somit scheint das Thema gegessen zu sein. Ich frage mich, was wohl das lokale Medienmonopol zu dieser Geschichte meint und angle mir die NLZ. Im Artikel steht, dass der FCL das angedrohte Fahnen- und Doppelhalterverbot beim nächsten Heimspiel am 11. Dezember gegen Servette nun durchsetzen müsste. Laut dem Medienmonopol winkt der FCL-Präsident Walter Stierli jedoch ab, wegen dieser Provokation gebe es keine Sanktionen gegen die Fans. Stattdessen müsse der Täter mit einem langjährigen Stadionverbot rechnen. «Wir haben genügend Fotodokumente, um den jungen Mann überführen zu können», so Stierli. Ich schmunzle, denn dies wurde bereits gestern in grossen Tönen seitens FCL hinausposaunt und ich wüsste in Gottes Namen nicht wo denn diese Kameras in Wohlen gewesen sein könnten.


Egal, Walti wird sich schon wieder einkriegen und mich erwischen die eh nicht. Unter dem Strich ist es doch einfach wichtig, dass wir im Cup gestern gewonnen haben und eine Runde weiter sind. In der nächsten Runde haben wird die Grashüpfer zuhause zugelost bekommen und nächstes Wochende steht schon wieder das Ligaspiel auswärts gegen Basel an. Beruhigt lege ich die Zeitung beiseite, trinke mit einem Lächeln im Gesicht meinen Kaffee aus und gehe wieder arbeiten.

Heute, fast auf den Tag zehn Jahre später, steht zum Abschluss der Vorrunde wieder ein Heimspiel gegen Servette Genf an. Weder wurden seither Choreos und Fahnen verboten, noch konnte Feuerwerk als Bestandteil einer wilden Fankultur von den Rängen verbannt werden. Wieder einmal werden allerdings die Kurven unter ähnlichen Vorzeichen von allen Seiten beschossen. Die damalige Polemik und der aktiv geführte Kampf der Luzerner Fankurve hat mich darin bestärkt, dass es sich lohnt, kreativ und geeint für unsere Fankultur einzustehen. Auch heute noch gilt es, uns mit allen Mitteln gegen blinden Aktionismus und Kontrollwahn zu wehren.

Zäme gschlosse ond dör jede Storm goh!

Verfasst von Öptu
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