Adventsbock

Besinnliche Geschichten aus dem Block

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René van Ecks blue-white-army!

Etwas über ein Cupspiel schreiben. Hui, gar nicht so einfach hier eine Rosine zu picken. Zu vielen, vielen Cupspielen kann ich locker eine Legendengeschichte aus dem Ärmel schütteln, welche sich durchs Weitererzählen noch räuberhafter ins Gedächtnis eingeprägt hat. Der Entscheid fällt auf ein Cupspiel in Winterthur 2005. Auf dem Weg an dieses Cupspiel konnten wir Jugendlichen uns nicht in den verrücktesten, biergeschwängerten Zukunftsdiskussionen ausdenken, was für uns heute selbstverständlich geworden ist.
Eine kurze Rückblende, wie ich diese Zeit damals wahrnahm. Die Jahreskarte auf der Allmend war noch ein kultiges, laminiertes Kärtchen, welches an jedem Spiel abgeknipst und mit den Kollegen verglichen wurde. Stolz konntest du sein, wenn die ganze Karte lückenlos gefüllt war. 50 Stutz mussten damals zusammengekratzt werden, damit eine Saison lang mit dem FCL auf der Allmend mitgefiebert werden konnte. An der ganzen Schule waren wir eine handvoll FCL-Fans. An den Spielen standen wir aber nicht selten mit der halben Klasse unter dem «L». Gehen heute eigentlich auch noch halbe Schulklassen zusammen an die Spiele oder ist dies zu vielen Eltern ein Dorn im Auge? Das erste FCL-Shirt, ein Geschenk von Mami, wurde genügend gross gekauft, dass es auch über einer Jacke getragen werden konnte. Sowieso war das Tragen von Trikots und grossen Schals damals im Stadion noch oft gesehen, andere käufliche Fanartikel waren damals Raritäten. Dagegen trugen die Kids auf den Trainingsplätzen selten Shirts vom FCL. Und nicht zu vergessen die ausgefallenste aller Marketingideen: Im Fan-Shop gabs damals noch ein echtes, originales FCL-Computer-Game – geil! Kaum ins CD-Rom Laufwerk eingeschoben startete ein fancy Memory mit Bildern zur FCL-Mannschaft.
Rege diskutiert wurde damals im Gästebuch auf der FCL-Homepage oder bald darauf im fclforum.ch. In diesem facebook, insta, oder whatsapp von damals thematisierten Hinz und Kunz alles rund um den FCL und im Off-Topic folgten noch viele weitere Schandtaten und Geschichten. Viel hätte ich damals gegeben, um mal ein «Forumgott» mit fünf, oder zumindest ein «FCL-Insider» mit vier Sternen zu werden. Da unsere Clique neustens die Schals auch so im ultra-style zusammenknoteten, liebäugelten wir bereits mit dem Fanclubnamen «Krawatten-Kurve». Kleider als Fanclubnamen waren ja «en vogue», wie wir dem damals noch gut auf der Stehrampe sichtbaren «Hüetli-Club» entnehmen konnten.
Der FCL spielte damals bereits die dritte Saison in der NLB. Rund um den Cupfinal 2005 kam hie und da sogar wieder einmal im Sportpanorama ein Beitrag zum FCL. Es fühlte sich rund um diese Cup-Affiche an, als sei der FCL wieder richtig wichtig und etwas Grosses.

Mein erstes «richtiges» FCL-Auswärtsspiel, da ohne Eltern, war dann das Cupspiel gegen den FC Winterthur am 11. Dezember, 2005. Wahrscheinlich war die Magie des Cups der Hauptgrund, dass meine Eltern Verständnis aufbrachten und mich an diesem Sonntag mit 15 Jahren losziehen liessen. Es ging ja schliesslich um etwas und auch sportlich lief es dem FCL rund. Nach einem misslungenen Saisonstart war der FCL seit 14 Spielen ungeschlagen. Trotzdem wurde Trainergott René Van Eck im Blick schlecht – und weggeschrieben. Ein Rolf Fringer sollte bald übernehmen. In einem selbstorganisierten 11er Büssli reisten wir an diesem Sonntag nach Winterthur. Einen Extrazug gabs damals noch nicht. Neben zwei neu gebastelten Doppelhaltern waren auch reichlich Salitos mit im Gepäck. Spätestens an der Kantonsgrenze waren wir uns sehr ziemlich sicher, dass wir jetzt doch lieber Salitos- statt Krawattenkurve heissen möchten, ehe wir uns einige Monate später den einfallsreichen Namen «CBBL» gaben. Auf dem Weg nach Winthi träumten wir bereits davon, dass wir im Cup bald mal einen grossen Gegner zugelost erhalten und den FCL auf der Allmend gegen eine grosse Mannschaft supporten würden. Heute wünscht sich ironischerweise mancher genau das Gegenteil. Nie hätten wir Jungs damals geträumt, dass Spiele gegen die «Grossen» einmal über viele Jahre selbstverständlich werden.
Die 90 Minuten auf der Schützenwisse verfolgten wir ganz vorne am Spielfeld hinter den Zaunfahnen. Ständig schielten wir nach links in die Mitte des Fanblocks. Dort zeigten einige Dutzend ultraorientierte Fans ein buntes Treiben. Im Verlauf des Spiels zeigten die Wilden aus dem Kern ein Transparent gegen Fringer und zündeten sogar einige Pyros. Aus so kurzer Distanz konnte ich dies zuvor noch nie miterleben. Auch die restliche Gästetribüne war für damalige NLB-Verhältnisse gut besucht mit FCL-Fans sämtlichen Couleurs. Die Stimmung im Block war leider nicht gleich laut wie auf der Allmend. Bald merkte ich, dass auswärts selten vergleichbare Lautstärke aufkommt. Dafür war häufig mehr Action und Zunder drin. An der Seitenline gaben sich die Spieler der beiden Mannschaften saures. Van Eck trug eine blutende Lippe davon, als er zwischen den Spielern schlichten wollte und ihm die Fahne des Linienrichters in die Quere kam. Auf dem Platz mussten Tchouga, Mehmeti, Bader, Lambert, Zibung und co. eine 0:2 Niederlage nach Verlängerung einstecken.

Die Stimmung war aufgeladen und wir wussten nicht so recht, was jetzt nach dem Spiel noch geschehen würde. Tatsächlich rüttelten im Anschluss an die Partie einige Luzerner am Mobiliar im Gästesektor. In einem fcl-thread kommentierte ich die Szenerie später als unnötig und wurde deshalb von verschiedenen Usern im Forum als «Picco» betitelt. Heute würden wohl jene, die sinnfrei und Stunk suchend an Zäunen rütteln, von der Kurve als Piccos bezeichnet werden.

Der Siegeszug von «René van Ecks Blue-White-Army» rollte weiter in der Meisterschaft und gipfelte im Spätfrühling 2006 im Aufstieg in die NLA. Zum Saisonstart im Sommer 2006 wurde eine ID-Pflicht mit «Fanpass» eingeführt und kurz darauf nach vielen Protesten wieder begraben. Das neu geschaffene gemeinsame Feindbild führte zu grossen Solidarisierungseffekten und steigerte meine eigene Identifikation mit der Fankultur weiter. Heute blicke ich entschlossen aber entspannt in die Zukunft rund um den FCL. Denn: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt – wir werden auch diesen Sturm überstehen.

Verfasst von emmer wiiter
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